• November 1993 •
Europa ist eine geographische Einheit, ein Kontinent begrenzt mit Meeren und dem Gebirge Ural. Viele Jahrhunderte lang bedeutete es für die Zivilisation, die sich darin entwickelte, die ganze Welt. Genau in der Mitte, fast gleich entfernt von Lisabon als von Nordkap und dem Ural leben die Slowenen. Unsere Kaiser waren Karl der Große, Napoleon und Franz Josef. Der österreichische Kaiser, Maximilian I., der Europa von den Türken schützte und das Grenzgebiet in Kroatien mit Serben besiedelte, sprach Slowenisch. Sein Lehrer, später Bischof in Konstanz war Slowene, Tomaž Prelokar aus Celje, Jurij Slatkonja aus Ljubljana war unter Herrschaft des selben Kaisers Hofkaplan, Bischof in Venedig und Gründer des Wiener Opernhauses. Gustav Mahler konzertierte in Ljubljana. Der russische, preußische und österreichische Kaiser, die Heilige Allianz, traf sich in der Hauptstatt Sloweniens um zu besprechen, wie das revolutionäre Europa zu bändigen sei. Und wenn der Graf von Celje, Ulrich, der in Belgrad perfide ermordet wurde, einen Sohn gehabt hätte, so würde die Geschichte vielleicht eine Celje Monarchie an Stelle die Habsburger Monarchie erfahren. Wie alle großen Reiche davor, fiel auch das Österreichisch-Ungarische Reich und wie nach einem Schicksalsschlag endeten die Slowenen unter der Karadjordjević Familie in einem in Versailles verteilten Europa. Es hat sieben lange Jahrzehnte gedauert, bis wir uns aus dem festen balkanischen Griff befreit haben. Nun stehen wir vor der geschlossenen Tür unserer geschichtlicher Heimat, und versuchen – beleidigt – zu beweisen, dass wir nicht Neuankömmlinge sind, sondern schon seit eh und je hier gelebt haben. Eine slowenische Geschichte erzählt von einem bescheidenen Schmuggler, der auf Bitte des Kaisers den türkischen Reisen Brdavs bekämpfte, den die besten Ritter von Wien nicht besiegen konnten. Martin Krpan – so hieß der Bursche aus Vrhnika – griff den furchterregenden Ritter, der Dutzende edler jungen Männer tötete, mit einem Lindenholzknüppel und einer Fleischeraxt an. Als Brdavs‘ Schwert in das weiche Lindenholz einschnitt, blieb es darin stecken. Während der Türke umsonst versucht es herauszuziehen, hackt im Krpan den Kopf ab. Wer sich nicht mit Vermögen oder Kraft preisen kann, dem ist sein Verstand die einzige Waffe. Obwohl es vor hundert Jahren so viele Slowenen gab wie Dänen, gibt es jetzt nur noch zwei Millionen Slowenen. Trotz dem haben wir zwei Universitäten gegründet. Überall in der Welt, an europäischen und amerikanischen Universitäten und Instituten sind so viele slowenische Professoren, daß wir mit ihnen leicht noch eine Dritte eröffnen. Ein Volk, das keine Könige oder erobernde Soldaten hat, hat Dichter und Wissenschaftler zum Adel.
Wir klopfen nicht barfuß oder in schmutzigen Stiefeln an die Tür Europas. Im Mosaik der europäischen Kultur, Wissenschaft und Geist stammen en paar Steine zweifellos von der südlichen Seite der Karawanken. Viele Fenster und Türen sind aus Angst vor dem tobenden Feuer in dem Balkan geschlossen. Der Gedanke, daß ein neuer, diesmal slowenischer Grenzstaat, an der Alpenpforte stehen könnte, ist nicht fremd.
Doch, nur die Feuerwehr kann das Feuer besiegen; Türriegel und Fensterläden werden es nicht fern halten.